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Love for Love

William Congreve
Scala Wien und Stadttheater Mödling

Rolle: Ben

Regie: Peter Gruber

Ausstattung: Alexandra Fitzinger

Dieses Stück stammt aus dem Jahre 1695 (!), das muss man sich einmal vorstellen – in Österreich hieß der Kaiser  Leopold I. und Prinz Eugen kämpfte noch immer gegen die Türken, in Frankreich herrschte Ludwig XIV., in Russland Peter der Große, eine schier unglaublich ferne Epoche pompöser Barockopern und blutiger kriegerischer Auseinandersetzungen allerorten. Und da kommt ein englisches Stück auf uns zu, wird quasi „vom Blatt“, mit einer ironischen Andeutung historischer Kostüme gespielt (also keine „Übersetzung“ in unsere  Zeit, wie es so üblich ist) – und erscheint uns so heutig und aktuell, dass wir es kaum glauben können.

Menschen einer so genannten „guten Gesellschaft“, die wohl immer nur eine halbgute war (heutzutage in den „Seitenblicken“ zu finden) – und es geht um Sex, Intrigen und Geld, Geld und noch einmal Geld, und wer da nicht mitspielt (entweder, weil er – Schande! – kein Geld hat oder sich für Geistiges interessiert oder an wahre Gefühle glaubt), ist sowieso „out“. William Congreve (1670-1729) hat es gewusst. Das, was Menschen immer antreibt und was große Literatur immer vermittelt.

Dabei ist „Love for Love“ nur eine Komödie, die Gesellschaftssatire und die Kritik an der Species Mensch kommen leichtfüßig einher, mit köstlichen, bewusst leicht überzeichneten Typen und vielen Lustspielelementen. Und doch – welch ein Stück! Eine Erkenntnis, die man aber auch der Aufführung der Scala verdankt.

Sie findet in einer Art „Raumbühne“ statt, das Geschehen begibt sich in der Mitte zwischen zwei Zuschauertribünen, man hätte es nicht besser lösen können. Wobei Marcus Ganser stilsicher auf Teppichboden nur wenige abstrakte Sitzelemente und eine riesige Betten- und Deckenebene am Rand gestellt hat. Dazu in die Mitte des Raums eine Badewanne in den Boden versenkt, die gleich zu Beginn des Stücks ergötzlich genutzt wird (und man sich nur erleichtert wundert, dass im Lauf der Vorstellungsserie niemand hineingefallen ist und sich die Knöchel gebrochen hat…).

Die Kostüme von Alexandra Fitzinger parodieren eine barocke Welt, ohne sie eins zu eins auf die Bühne zu stellen – und Regisseur Peter Gruber ist es gelungen, ohne irgendeine bemühte „Modernisierung“  das Stück gleicherweise mit Lockerheit eine Handbreit über den Boden zu halten und bei aller Ironisierung doch die Gültigkeit von Verhaltensweisen herauszuarbeiten.

Das gelingt, weil eine Besetzung ohne Schwachpunkt agiert – erstaunlich genug, bedenkt man, dass man (auch wenn sich die Scala räumlich auf „ebener Erde“ befindet) ja doch im „Keller“ agiert, wie man jene Bühnen abseits der „Großen“ in Wien nun einmal nennt. Phantastisch, welches Schauspieler-„Material“ hier zu finden ist, das man zu den schönsten Leistungen herausfordern und bringen kann.

Königin des Abends ist Johanna Withalm als jene Angelica (im Programm als „recht vermögend“ beschrieben), die von Valentin (Florian Graf , herrlich stürmisch, ein „Liebhaber“, wie er im besten Sinn „im Büchl“ steht) angebetet wird. Aber da stehen unendlich viele finanzielle Erwägungen zwischen den Gefühlen der beiden, man muss zu schlimmen Tricks Zuflucht nehmen (wobei die Damen im Manipulieren ja doch noch besser sind als die Männer), bevor die beiden einzigen, die es in diesem Stück verdienen, schließlich ihre Liebe für Liebe geben können… Ein hinreißendes Paar.

Und eine Schar köstlichster Typen daneben: Allein, wie Bernie Feit einen trickreichen Diener gibt, ist ein Kabinettstück für sich, ebenso wie der Intrigant, der nicht umsonst „Scandal“ heißt und von Wolfgang Lesky mit tänzerischer Grazie und Süffisanz ausgestattet wird.

Auch die Damen toben perfekt herum, wobei Marion Rottenhofer, als Mrs. Frail hemmungslos auf der Suche nach einem reichen Ehemann, die besten Möglichkeiten bekommt (und nützt), aber die anderen ihr kaum nachstehen – nicht Anna Sagaischek als herrlicher Trampel Prue, nicht Christina Saginth als durchtriebene Ehefrau Mrs. Forsight und ganz besonders Lilly Prohaska, deren Dienerin Jenny ein Prunkstück ist. (Dass sie auch noch den Notar spielen muss, ist nicht ganz einzusehen, auf einen weiteren Darsteller wäre es bei dieser Personenfülle wohl kaum angekommen.)

Es ist wunderbar, wie Congreve und in seinem Kielwasser Regisseur Peter Gruber sich über die Menschen lustig machen – über einen ekligen Vater (Rainer Friedrichsen), der zur lächerlichen Figur wird, wenn der Alte plötzlich auf Freiersfüßen wandelt, über einen anderen Alten (Hans-Jürgen Bertram), an dessen blindem Astrologie-Wahn die ganzen Esoteriker heutzutage vorauszuahnen sind, über einen Rabauken-Seemanns-Sohn (Sebastian Brummer), der ganz schnell lernt, dass den Frauen in dieser dargestellten Welt der Posen und Verlogenheiten nicht zu trauen ist, und vor allem über einen „lächerlichen Preziösen“, dem materielle Lüste schließlich über die sexuellen gehen und den Hermann J. Kogler schlechtweg prächtig zickt. Selbst die Minirolle eines düpierten Geldverleihers (RRemi Brandner) macht noch Spaß.

Ein Abend wie dieser ist ein ebenso rarer wie reiner Genuß, das ungetrübte Vergnügen an Stück, Inszenierung und Darstellung. Schade, dass so etwas vergeht. Vielleicht, so ist zu hoffen, hat jemand eine Aufzeichnung davon gemacht…

Renate Wagner

 

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